Friedensglocke für St. Johannes, Roigheim (Teil 2)

Friedensglocke für St. Johannes, Roigheim                                

Im Rahmen der Initiative „Friedensglocken für Europa“ des Rottenburger Bischofs Dr. Gebhard Fürst erhält die Katholische Kirche in Roigheim eine neue Glocke. Unsere dreiteilige Serie erzählt die Geschichte der Kirche und ihrer Glocke

Teil 2: Der Weg der Glocke von Trzanowitz nach Roigheim

Im Zweiten Weltkrieg mussten ab 1940 schätzungsweise an die 100.000 Glocken aus allen Teilen des damaligen Deutschen Reichs und aus den besetzen Gebieten zur Verhüttung abgeliefert werden. Die meisten dieser Glocken sind im Krieg zerstört worden. Nur etwa 16.000 Glocken waren bei Kriegsende noch auf den Sammellagern vorhanden und konnten in den Folgejahren ihren Ursprungsgemeinden zurückgegeben werden.

Für ca. 1300 Glocken aus den ehemals deutschen Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie war dies aus politischen Gründen nicht möglich, sie wurden ab 1950 leihweise Patengemeinden im damaligen Westdeutschland zugewiesen. Auf diese Weise gelangten 67 Glocken aus katholischen Kirchen in den ehemaligen deutschen Ostgebieten nach dem Zweiten Weltkrieg als sogenannte „Leihglocken“ oder „Patenglocken“ in die Diözese Rottenburg-Stuttgart, so auch die Glocke mit der Leitzahl 25/23/396, die heute in St. Johannes in Roigheim hängt.

Ansicht der Glocke aus Trzanowitz

 

 

Herkunft der Glocke

Die dreiteiligen Leitzahlen, die bei der Abnahme der Glocken im Zweiten Weltkrieg vergeben worden sind, geben Hinweise auf die Herkunft der Glocke: Die erste Zahl bezeichnete die damalige Provinz, die zweite den Landkreis, die dritte den konkreten Ort. Die Glocke mit der Leitzahl 25/23/396 stammt demnach aus Nieder-Trzanowitz im Kreis Teschen in Oberschlesien, heute Dolní Třanovice in Tschechien. Die Leitzahl war im Inneren der Glocke mit heller Farbe eingetragen worden und ist dort immer noch schwach zu erkennen.

                                                                                                               Leitzahl im Inneren der Glocke

 

 

Technische Daten und Inschriften der Glocke

Die Glocke hat einen Durchmesser von 610 mm und ein Gewicht von ca. 140 kg. Ihr Ton ist ein e′′. Sie wurde 1932 gegossen, besteht aus Bronze und hat drei Inschriften. Auf der Vorderseite steht oben an der Schulter der Glocke „JESUS NAZARENUS REX IUDEORUM”. Im unteren Bereich der Flanke befindet sich eine dreizeilige Inschrift, die angibt, dass die 1932 gegossene Glocke als Nachguss einer Vorgängerglocke aus dem Jahr 1636 entstanden ist. Unten am Schlagring sind Gießer und Gussort der Glocke benannt:

RICHARD HEROLD, KOMOTAU (heute Chomutov. Tschechien).

 

Aufhängung der Glocke

Die Glocke befindet sich im Dachreiter der 1953 errichteten Kirche. Im Jahr 2015 ist für sie ein neuer Eichenholz-Glockenstuhl eingebaut worden. Die Tellerkrone der Glocke ist mit Aufhängebändern an einem Holzjoch mit Kopfholz befestigt. Die Glocke läutet quer zum Kirchenschiff und wird mit einem Seil von Hand geläutet. Sie wird von einem neuen Rundballenklöppel angeschlagen und hängt fast in ihrer ursprünglichen Ausrichtung; auf beiden Innenseiten sind dicht neben den jetzigen die alten Anschlagspunkte auszumachen.

 

Fortsetzung folgt

 

Quelle:

Diözese Rottenburg-Stuttgart, Amt für Kirchenmusik, Fachbereich Glockenwesen, Dr. Hans Schnieders, Bericht zum Ortstermin vom 12. Juni 2019